Beim Moerser Urknall entstanden einst endlose niederrheinische Assoziationsketten und natürlich die freie Improvisation. Wenn man Hüschs Texte laut liest oder Free Jazz hört, dann merkt man das, einwandfrei. Ganz im Geiste avantgardistischer Tradition feierte das moers festival bereits 2024 Hüschs 99. Geburtstag mit zahlreichen Bezügen zum Werk des vielleicht größten Sohnes der Stadt. Seine links-niederrheinischen Weisheitchen zogen sich durch das Festival – auf Bühnen, Texttafeln und im Programmheft. Auch in diesem Jahr gibt es wieder vertonte Lieder und Texte von HDH zu hören und zu entdecken: Dabei bekommt die Zeitlosigkeit seiner Texte, durch Kinder, Freydenkerinnen oder altgediente Klangfriede über das ganze moers festival geflüstert, entwaffnende Schlagkraft.
Mit: Hanns Iyer & Wadada Leo Hüsch, Caspar Hüschmann, The Sleep of Dieter Produces Monsters, Koshiro Hüscho, Dieter Arkbro, Hayden Hüschholm’s Kinetic Chain, Hanns Northlich Hüschmond aka BlipVert, Anna Hüsch u.v.m.
Ort: hannsi.eventhalle, Filderstr. 142, 47447 Moers
Termin: 6. bis 9. Juni 2025
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Die Erde gehört uns allen
Daß einige vieles und die meisten weniger oder wenig haben
Kann man damit erklären
Daß einige bedeutend und die meisten unbedeutend sind
Daß einige fast alles und die restlichen fast gar nichts haben
Kann man damit erklären
Daß einige klug und die restlichen dumm sind
Daß einige mächtig und die anderen ohnmächtig sind
Kann man damit erklären
Daß einige verschlagen und die anderen die Geschlagenen sind
Daß einige immer mehr haben wollen und viele immer weniger haben
Kann man damit erklären
Daß einige über Leichen gehn und viele unter den Leichen sind
Daß einige über alle regieren und diktieren
Kann man damit erklären
Daß einige Geschichte machen wollen und mit allen anderen Geschichte gemacht wird
Zwar heißt es
Vor Gott sind alle Menschen gleich
Und human das möchte jeder gerne sein -
Aber welcher Bedeutende will sich schon mit einem Unbedeutenden
Welcher Kluge will sich schon mit einem Dummen
Welcher Verschlagene will sich schon mit einem Geschlagenen
Auf eine Stufe stellen
Wer will das schon?
Die Erde gehört uns allen
So wie der Sand den man am Grabe freundlich uns nachwirft
Allen gehört
Aber im Leben gehören
Die Armen den Reichen
Die Dummen den Klugen
Die Geschlagenen den Verschlagenen
Die Gläubigen der Kirche
Die Schwarzen den Weißen
Die Naiven den Raffinierten
Die Schweigenden den Schwätzern
Die Friedfertigen den Streitsüchtigen
Die Erde aber könnte uns allen gehören
Wenn dein Haus auch mein Haus
Mein Geld auch dein Geld
Dein Recht auch mein Recht
Mein Los auch dein Los
Dein Kleid auch mein Kleid
Mein Glück auch dein Glück
Dein Leid auch mein Leid
Wäre.
Teile und herrsche nicht!
Aber wer kann das schon?
Hanns Dieter Hüsch (1965)
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Wenn du bedenkst, daß das Ganze nichts auf sich hat.
Jeder vollzieht seine Endlichkeit in einer anderen Stadt.
Sucht sich Erfüllung für sein weltliches Defizit.
Einzig die Musik hält mit der Trauer Schritt.
Selbst der Nomade im schmutzigen Alltagszelt,
zieht seine struppigen Kinder durch unsre gemütskranke Welt.
Wechselt Pferde und Plätze, kennt jeden Horizont, lang und breit
und reitet von Leben zu Leben bis zur Unkenntlichkeit.
Andere sitzen Jahrzehnte betäubt im eigenen Kreis,
haben Geschmack, machen Pläne obwohl man Genaues nicht weiß.
Außer Verfolgung, Folter, Hunger und Sklaverei.
Beweisstück aus offenem Mund, der tiefgefrorene Schrei.
Wirf dein Lieblingsglas gegen die Schrift auf der Wand.
Nimm deinen Lieblingshut uns in die andere Hand.
Deine zwei Bücher, ein Instrument, nimm ebenfalls mit.
Denn einzig Musik hält mit der Trauer Schritt.
Hanns Dieter Hüsch (1981)